Ich versuche es ja wirklich umzusetzen: „Buy local, save jobs“. Wer braucht Äpfel aus Neuseeland, wenn die im Bergischen Land vor der Haustüre wachsen? Doch manchmal ist es gar nicht so leicht, die heimische Wirtschaft zu unterstützen. Zum Beispiel beim Musikkauf. Jahrelang habe ich dabei extra den Weg zum kleinen Underdog Recordstore in Köln auf mich genommen, um mich mit geschmackvollen Indie- und Punk-Alben zu versorgen. Motto: Music is for you and me and not the f***** industry. Beim letzten Besuch dann der Schock. Die verkaufen ab sofort nur noch Vinyl-Alben. „Lohnt sich mehr“, meint der Verkäufer an der Kasse. Und ist sicher noch mehr Indie als spießige CDs. Aber Platten kriege ich nun mal so schlecht in meinen CD-Spieler. Etwas verstört frage ich also den Mann, ob er eine Idee habe, wo ich jetzt noch gute Musik in meinem bevorzugten Ausgabeformat kaufen könne. Darauf der vollgepiercte Underdog: „Hmm, iTunes?“
Was die Geschichte mit Kommunikation und Sozialen Medien zu tun hat? Auch da habe ich lange Zeit versucht, heimischen Anbietern die Treue zu halten. In diesem Fall: Xing. Doch die Globalisierung schreitet unaufhaltsam voran. Und als immer mehr meiner Kunden und sonstigen Kontakte davon schwärmten, welche weltweite Vernetzung LinkedIn ermögliche, tat auch ich den Schritt. Und eröffnete einen Account auf der Plattform. Freilich ohne damit mein Xing-Profil ins digitale Nirvana zu schicken.
Und wie ist das Fazit nach den ersten Monaten? Gemischt würde ich sagen. Sehr positiv bei LinkedIn ist, wie einfach sich ein Profil erstellen lässt. Das System unterstützt hier sehr sinnvoll, zum Beispiel durch einfache Verlinkungsmöglichkeit zu einigen Beiträgen. Ein klarer Vorteil von LinkedIn ist tatsächlich die internationale Ausrichtung. Ruckzuck war ich mit PR-Kollegen in London vernetzt, zu denen ich schon länger den Kontakt verloren hatte. Selbst der CEO eines internationalen Finanzkonzerns war nach kurzer Zeit ein Kontakt (Hallo Ex-Kunde!). Auch bei den Bekannten aus dem deutschsprachigen Raum füllte sich das Adressbuch in rasender Geschwindigkeit. Hier liegt allerdings auch ein Problem der Plattform: Kontaktanfragen erhalte ich massenweise auch von Leuten, zu denen ich nie zuvor Kontakt hatte. Vielleicht liegt es auch an meiner beruflichen Position.
Und diese Anfragen sind dann auch noch völlig unpersönlich, sondern enthalten nur den voreingestellten Standard-Satz: „Ich möchte Sie gerne zu meinem beruflichen Netzwerk auf LinkedIn hinzufügen.“ Nun bin ich ja nicht kontaktscheu, aber eine Kontaktliste mit Menschen, die ich überhaupt nicht kenne, verfehlt für mich ihren Sinn und ist nur noch beliebig. Daher verfolge ich die Politik, nur die Leute zu bestätigen, mit denen in auch in irgendeiner Form in Beziehung stehe. Und sei es nur durch einen E-Mail-Austausch.
Xing ist persönlicher, LinkedIn überzeugt als Plattform für Content Marketing
Hier ist Xing wesentlich persönlicher, und die Qualität der Kontaktanfragen erscheint mir höher. Außerdem gehört es hier zum guten Ton, zumindest ein paar persönliche Worte zu schreiben, bevor man jemanden in sein Netzwerk einlädt. Bei LinkedIn herrscht offenbar das Prinzip Masse statt Klasse vor. Das ist in etwa so, als würde man auf einer Party erst einmal die Runde machen und allen Leuten ungefragt seine Visitenkarte in die Hand drücken. Die einzige Gemeinsamkeit: Alle sind auf der Party zugegen.
Was bei beiden Plattformen nervt, ist die zunehmende Email-Flut. „X wartet auf Kontakt-Bestätigung“, „Y hat einen neuen Job“ – der Social-Network-Spam-Faktor ist schon recht hoch. Auch, wenn mich ein Kollege schon der Weinerlichkeit bezichtigt: Beide Netzwerke würden aus meiner Sicht mehr Akzeptanz gewinnen, wenn sie hier etwas zurückhaltender agierten.
Doch das sind Kleinigkeiten: Wichtiger sind im Zeitalter des Content Marketing natürlich die Inhalte. Wie sieht es hier bei den führenden beiden Netzwerken aus? Generell genießt LinkedIn einen guten Ruf: Das Netzwerk gilt als Hort engagierter User und als Plattform engagierter Diskussionen. Die erste Momentaufnahme bestätigt dies: Tatsächlich reagieren Nutzer überraschend oft auf Posts, jedenfalls deutlich öfter als die Zahl der Likes und Kommentare, die eine durchschnittliche Äußerung auf Xing so auslöst. Ob Diskussion über die Konstruktion der Währungsunion oder über Karrierebegriffe in der PR – die Timeline auf LinkedIn ist gut gefüllt, und zwar mit interessanten und vielfältigen Posts. Die Diskussion in den Gruppen ist ebenfalls rege. Insgesamt erinnert das System an ein Facebook für Geschäfts-Themen. Auf Xing hingegen dominiert inhaltlich der Vernetzungs- und Karrieregedanke: „X ist jetzt Kontakt von Y“, „Z hat einen neuen Job“, sind die typischen Inhalte. Inhaltliche Posts gibt es hier natürlich auch, sie gehen allerdings in der Personalmeldungsflut etwas unter.
Ein erstes Fazit: Beide Netzwerke haben ihre Berechtigung. Xing ist ein wichtiges HR-Netzwerk mit einer hohen Kontaktqualität im deutschsprachigen Raum. LinkedIn erscheint als Kontaktnetzwerk etwas oberflächlicher, bietet neben den HR-Themen auch klassischen Content. Zudem ist die internationale Ausrichtung ein wichtiges Argument im Wettbewerb.
