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Der Kodex für die Zertifikatsregulierung wird häufig ignoriert.
Der Kodex für die Refulierung von Zertifikaten hinsichtlich ihrer Fairness wird häufig gänzlich ignoriert. Das ist ein großer Nachteil für den Privatanleger, der am kürzeren Hebel sitzt.

Meinung & Analyse

Timing-Probleme: wenn selbst das Richtige falsch ist

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Dass dieses alte Sprichwort leider doch nicht immer zutrifft, muss die Zertifikatebranche gerade wieder einmal am eigenen Leib erfahren: Da verabschieden die Emittenten einen neuen Fairness Kodex, der in Sachen Transparenz deutlich weiter geht als alle Initiativen zuvor (und nebenbei auch deutlich weiter als viele andere Anbieter von Anlageprodukten). Und wie fällt das Echo aus? Es liegt irgendwo zwischen Desinteresse, Misstrauen und müdem Schulterzucken.

Die breite Öffentlichkeit ignoriert den Kodex weitgehend. Langjährige Branchenbeobachter wie die Journalistin Antonie Klotz dagegen loben den Kodex durchaus, weil Emittenten sich verpflichten, den geschätzten Wert (Issuer Estimated Value, IEV) jedes Zertifikats anzugeben und zudem bei Kapitalschutzzertifikaten Eintrittswahrscheinlichkeiten für verschiedene Auszahlungsszenarios zu nennen. Kaum ein Kommentar kommt allerdings ohne den Hinweis aus, dass dies nur erste Schritte in die richtige Richtung sein könnten – auch nicht die Stellungnahme der nicht eben als anbieterunfreundlich bekannten Ratingagentur Scope. Dass Verbraucherschützer in Gesprächen wenig Positives über den IEV zum Ausdruck bringen, dafür aber viel Misstrauen gegenüber den Schätzungen der Emittenten und den zugrunde liegenden Formeln, dürfte ohnehin niemanden wundern.

Was hat die Branche überhaupt falsch gemacht?

Was also hat die Branche falsch gemacht? Nun: eigentlich nichts. Sie hat nur das Richtige zum falschen Zeitpunkt getan. Zu spät nämlich. Schließlich stecken die Emittenten spätestens seit der Lehman-Insolvenz im Herbst 2008 in der Dauer-Defensive. Das öffentliche Bild ihrer Produkte ist längst zementiert. Oberflächlichen Betrachtern gelten strukturierte Produkte als intransparent, teuer und riskant – und sei es nur wegen des Emittentenrisikos. Politik und Regulatoren begleiten die Diskussion mit einem Dauerfeuer aus Regulierungsinitiativen und Verbotsvorschlägen. In Belgien etwa ist bereits ein Vertriebsverbot „komplexer Produkte“ an Privatanleger in Kraft. Und erst im Frühjahr dieses Jahres hatte die International Organization of Securities Commissions (IOSCO), ein Zusammenschluss von Regulierungsbehörden, vorgeschlagen, Emittenten strukturierter Produkte auf die Offenlegung von Fair Values und der ihrer Berechnung zugrunde liegenden Modellannahmen zu verpflichten – also genau das, was die Branche einige Monate später in abgeschwächter Form umgesetzt hat.

Wer könnte Kritikern angesichts dieses zeitlichen Ablaufs den Vorwurf verdenken, der Deutsche Derivate Verband habe den Kodex nur verabschiedet, um einer möglichen schärferen Regulierung zuvorzukommen?

Die Lehre daraus: Wer kommunikativ aus der Defensive kommen will, muss schnell handeln, durchdacht und entschlossen – und am besten proaktiv, aus freien Stücken seine Produkte und die Kommunikation darüber so gut machen, dass Kritiker erst gar keinen Wind in die Segel bekommen. Denn ist der schlechte Ruf erst etabliert, sind die Geschäfte schnell dauerhaft ruiniert. Andere Branchen, die sich derzeit im Licht einer positiven öffentlichen Meinung sonnen dürfen, sollten dies im Kopf behalten. Der Zertifikatebranche selbst bleibt auch mittelfristig wohl nur die Möglichkeit, den eingeschlagenen Weg konsequent und mit Nachdruck weiterzugehen – und so Schritt für Schritt ihre Kritiker zu überzeugen.

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