ETFs werden immer beliebter. Das ist, wenn man so will, die Kernbotschaft des ergo ETF Monitors. 62 Prozent der befragten finanzaffinen Anleger gaben in der von ergo in Kooperation mit finanzen.net durchgeführten Studie an, ETFs zu besitzen – 14 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. 57 Prozent (Vorjahr: 49 Prozent) sagten, sie würden den Anteil von ETFs in ihrem Depot in den kommenden zwölf Monaten wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich erhöhen.
Das sind schöne Zahlen, doch bergen sie auch eine Gefahr: dass sich Kommunikations- und Vertriebsverantwortliche von ihnen blenden lassen und die Augen vor den Herausforderungen verschließen, vor denen die Branche auf dem Weg zu einer noch stärkeren Marktdurchdringung steht. Denn selbst wenn ETFs im Vergleich zu vielen anderen Finanzprodukten ein gutes Image haben – solche Herausforderungen gibt es durchaus.
Herausforderung Swaps: wie die ETF-Branche ihr eigenes Produkt beschädigte
Die womöglich drängendste dieser Herausforderungen ist die seit Jahren diskutierte Swap-Frage. Wir erinnern uns: Im Frühjahr äußerten internationale Regulierungsbehörden Zweifel an der Sicherheit der in vielen europäischen ETFs zur Abbildung von Indizes genutzten Derivate. Sogar von möglichen Gefahren für das Finanzsystem als solches war die Rede. Fakten, die diese Hypothesen stützten, gab es nicht, und natürlich hat sich bis heute nie eines der damals beschworenen Risiken realisiert. Und dennoch ist die vor Jahren begonnene Debatte nie ganz aus der Öffentlichkeit verschwunden.
Kein Wunder: Anbieter physisch replizierender ETFs befeuerten die Diskussion noch, indem sie auf die angeblich höhere Sicherheit dieser (zufällig von ihnen selbst angebotenen) Produkte und Swap-ETFs wegen der vermeintlich enthaltenen Gegenparteirisiken mit unbesicherten Schuldverschreibungen verglichen. Die Anbieter von Swap-ETFs konnten mit dem einigermaßen berechtigten Argument zurückschlagen, dass physisch replizierende ETFs auch Gegenparteirisiken enthielten – dann nämlich, wenn sie von ihnen gehaltene Wertpapiere an Spekulanten verliehen, um Zusatzeinnahmen zu erzielen.
Die Debatte hatte vor allem zwei Folgen. Erstens sind ETFs heute transparenter denn je – und zwar sowohl Swap-basierte als auch physisch replizierende. Und zweitens misstrauen Anleger heute allen objektiven Verbesserungen zum Trotz Wertpapier-Leihgeschäften fast ebenso stark wie Swap-Konstruktionen. Die Zahl der Swap-Gegner stieg seit dem Vorjahr von 52 auf 57 Prozent an, die Zahl der Befürworter sank von 22 auf 20 Prozent. Produkt verbessert, Image ruiniert – ein prototypisches Kommunikationsdesaster.
Wertpapierleihe: Die Trendwende deutet sich an
Längst hat sich das Misstrauen auch in milliardenschweren Mittelabflüssen und der Umstellung ganzer Produktpaletten von synthetischer auf physische Replikation niedergeschlagen. Die einschlägigen Statistiken der Marktführer sprechen in dieser Hinsicht eine klare Sprache. Eine Trendwende scheint nicht in Sicht.
Anders stellt sich die Situation bei der Wertpapierleihe dar. Zwar stieg auch die Zahl der Wertpapierleihe-Gegner gegenüber dem Vorjahr an – von 47 auf 49 Prozent. Doch ein genauerer Blick auf die Daten zeigt: Unter den ETF-Besitzern ging die Zahl der Gegner zurück. Gerade diejenigen Anleger, die sich intensiver mit ETFs beschäftigen, scheinen also Vorbehalte abzubauen. Auch wenn nach wie vor reichlich Skepsis vorhanden ist: 51 Prozent lehnen die Wertpapierleihe. Geht es um Swaps, liegt der Anteil der Gegner unter den ETF-Besitzern aber sogar bei 63 Prozent und damit noch einmal 4 Prozentpunkte höher als im Vorjahr.
Die Zahlen sind zwar kein Grund zum Jubeln, doch offenbar gelingt es der Branche einigermaßen überzeugend, die Vorteile der Wertpapierleihe zu kommunizieren, während die Vorteile der synthetischen Replikation in der Diskussion weit gehend unter den Tisch fallen. Das mag daran liegen, dass jährliche Zusatzeinnahmen leichter zu greifen sind als ausbleibende Kosten durch höhere Tracking-Effizienz oder mögliche Steuervorteile durch Vermeidung von ausschüttungsgleichen Erträgen. Aber es ändert nichts daran, dass Swap-ETFs nach wie vor wichtige Vorteile bieten – auf vielen Märkten, für viele Anleger – gerade für private.
Swap-ETFs: einknicken oder überzeugen
Für die verbleibenden Anbieter Swap-basierter ETFs stellt sich angesichts dieser Daten mehr denn je die Frage, ob sie an ihrem Geschäftsmodell unverändert festhalten wollen. Viel spricht dafür, diese Frage mit ja zu beantworten – nicht zuletzt die durchaus eindrucksvollen Mittelzuflüsse erfolgreicher Anbieter von Swap-ETFs. Wer nicht vor der öffentlichen Debatte einknicken möchte, sollte aber bereit sein, offensiver und überzeugender zu kommunizieren als zuvor. Und das heißt vor allem:
- Nicht nur die Nachteile der eigenen Produkte zu benennen und darauf hinzuweisen, wie diese minimiert werden, sondern auch
- die Vorteile der eigenen Produkte klar aufzeigen – möglichst mithilfe konkreter Zahlen.
- Und: dabei darauf verzichten, die Produkte der Konkurrenz zu verteufeln, also die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.
Das ist noch keine konkrete Kommunikationsstrategie. Aber es sind drei Hinweise, die zumindest den richtigen Weg aufzeigen können.