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Kryptowährungen sind ein scharfes Schwert für die Finanzindustrie.
Kryptowährungen sind ein scharfes Schwert für die Finanzindustrie - wie jedes Werkzeug bedeutet dies Chancen, aber auch Risiken, die berücksichtigt werden müssen.

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Himmel oder Hölle für Banken?

Ich gebe es zu: Vor meiner Recherche für diesen Beitrag wusste ich nicht viel über die Blockchain-Technologie. Die Begriffe „Bitcoin“ und „Blockchain“ hatte ich zwar schon mal gehört, aber welche Tragweite diese Entwicklungen für die Finanzindustrie und darüber hinaus haben könnten, war mir nicht bewusst. Noch nicht.

Denn die Bedeutung des neuen Trends zeigt sich schon in der Tatsache, dass das Weltwirtschaftsforum dieses Jahr ein eigenes Erklärvideo zum Thema Blockchain produzieren ließ. Anhänger der Blockchain-Technologie sprechen sogar schon von der „größten Neuerung seit der Erfindung des Internets“. Die Bankenbranche ist nervös – die Technologie könnte nämlich das Ende des klassischen Bankwesens bedeuten.

Aber nicht so voreilig: Um zu verstehen, was Blockchain überhaupt ist, sollte man sich zunächst mit Bitcoin auseinandersetzen. Der Begriff steht sowohl für ein weltweites digitales Zahlungssystem als auch für die dahinterstehende Kryptowährung. Das Zahlungssystem sieht anonyme Transaktionen via Rechner oder Smartphone vor. Die Blockchain bildet dabei die technologische Grundlage, um Bitcoins zu versenden.

Ein riesiger Kontoauszug

Was heißt das konkret? Jeder, der mit Bitcoins zahlen will, muss sich eine zurzeit über 50 Gigabyte große Datei herunterladen. Diese Datei beinhaltet sämtliche jemals getätigte Bitcoin-Transaktionen. Wenn man so will, handelt es sich also um einen riesigen, immer weiter wachsenden anonymisierten Kontoauszug. Überweist Person A Bitcoins an Person B, wird die Transaktion dezentral gespeichert. Alle Bitcoin-Nutzer können die Überweisung auf ihren Computern nachverfolgen. Es entsteht eine Kette von Datenblöcken, die der Technologie den Namen gibt: Blockchain. Bitcoins erhält man übrigens auf Handelsplattformen wie MTGOX oder bitcoin.de. Dort können Euro, Dollar oder andere Währungen gegen Bitcoins eingetauscht werden und umgekehrt.

Das neue bei Bitcoin-Transaktionen ist, dass keine Bank involviert ist, es gibt keinen Mittelsmann. Gebühren und Verifizierungsverfahren, die Transaktionen in die Länge ziehen können, fallen komplett weg. Und wie gesagt: Das System ist vollständig anonym. Namen, Informationen über Kartennummern oder Adressen werden nicht preisgegeben. Da jede Veränderung der Blockchain-Datei auf allen beteiligten Rechnern gespeichert wird, sind die Informationen nur sehr schwer manipulierbar. Hacker müssten die komplette Historie ändern – ein kaum zu leistender Aufwand.

Großbanken schließen sich zusammen

Auf den ersten Blick scheinen Banken die ganz klaren Verlierer dieser Entwicklung zu sein. Schließlich müssten die Institute bei den durch die Blockchain ermöglichten Peer-to-Peer-Transaktionen nicht mehr in Anspruch genommen werden. Das gilt nicht nur für einfache Überweisungen, sondern beispielsweise auch für den Aktienhandel. Die Blockchain kann also eine große Gefahr für die Banken darstellen – aber auch eine große Chance. Statt sich dem Schicksal zu ergeben, versuchen die größten Banken der Welt nämlich, die Blockchain-Technologie für sich zu nutzen und ihre Dienstleistungen effizienter und kostengünstiger zu gestalten. Die spanische Großbank Santander schätzt, dass sich im Banking durch die Blockchain über 20 Milliarden US-Dollar pro Jahr einsparen ließen. Deshalb haben Banken mittlerweile eigene Blockchain-Forschungslabore eingerichtet. Die Schweizer Großbank UBS hat sich beispielsweise im Londoner Hochhaus „Level 39“ niedergelassen, um mit der Technologie zu experimentieren. Außerdem investieren Banken in Blockchain-Startups. So haben sich über 40 Banken, darunter die Commerzbank und die Deutsche Bank, zusammengeschlossen und sich am Startup „R3CEV“ beteiligt. Das New Yorker Unternehmen will eine „globale Finanzfabrik“ auf Blockchain-Basis aufbauen, die von allen beteiligten Banken genutzt werden kann. Erste Tests wurden bereits erfolgreich durchgeführt.

In der Forschung geht es aber nicht nur um Transaktionen von virtuellem Geld, sondern auch um sogenannte „Smart Contracts“. Dabei handelt es sich um selbstausführende Verträge, einer weiteren Revolution, die durch die Blockchain möglich wird. Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie kaufen sich ein Auto, doch erst wenn sie die im Vertrag festgelegte Summe auf das Konto des Verkäufers überwiesen haben (natürlich per Blockchain), öffnet der digitale Autoschlüssel das Fahrzeug. Erst wenn Sie gezahlt haben, können Sie also einsteigen. Gleiches gilt, wenn bei einem finanzierten PKW die aktuelle Ratenzahlung ausbleibt. Diese Smart Contracts sind für Banken daher sehr interessant – nicht nur bei Autofinanzierungen, sondern zum Beispiel auch bei Darlehens- und Hypothekenverträgen.

Das Ende der Banken?

Werden die Banken, so wie wir sie kennen, in den nächsten Jahren also aussterben? Man sollte die berühmte Kirche wohl erstmal im Dorf lassen. Zunächst sei gesagt: Bitcoin und die Blockchain sind keine Eintagsfliegen. Seit über sechs Jahren wird an der Technologie gefeilt. Nachdem Kryptowährungen lange Zeit mit dem Image zu kämpfen hatten, vornehmlich ein Zahlungsmittel für kriminelle Machenschaften zu sein, scheint der endgültige Durchbruch jetzt näher zu rücken. Aber Banken müssen hier sicherlich weiterhin vorsichtig sein und sollten nichts überstürzen.

Die im letzten Blog-Beitrag vorgestellte Studie belegte, dass das Vertrauen in die Finanzbranche – vor allem in Deutschland – ohnehin nicht sehr groß ist. Bei den Transaktionen mit Bitcoins müssen die Beteiligten ihr Vertrauen nun nicht mehr zwangsläufig einer Bank schenken, denn diese spielen bei der Überweisung gar keine Rolle. Als weiteren Grund für das Misstrauen gegenüber der Finanzindustrie wurde im letzten Blog-Beitrag jedoch auch erwähnt, dass die Tätigkeit von Banken kaum greifbar sei. Die Blockchain-Technologie ist jedoch noch weniger „greifbar“. Sie ist so komplex, dass selbst mancher Informatiker Probleme damit hat, sie wirklich zu verstehen. Es ist deshalb fraglich, ob sich Bankkunden damit anfreunden können. Darüber hinaus haben Großbanken die Gefahren für ihr etabliertes Geschäftsmodell bereits seit längerem erkannt und versuchen ihrerseits, die Technologie zu ihrem Vorteil zu nutzen. Die Möglichkeiten durch Smart Contracts und die kostengünstigeren sowie schnelleren Abwicklungen von Transaktionen sind hier vielversprechende Ansatzpunkte. Die Änderungen würden das Geschäftsmodell von Banken wohl radikal umkrempeln. Bis es dazu kommt, wird aber wohl noch (sehr) viel Zeit ins Land ziehen.

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