Erinnern Sie sich noch an die Online-Petition zur privaten Altersvorsorge mit Wertpapieren, die zu Beginn des Jahres die Öffentlichkeit in Atem hielt – mit 230.000 Unterzeichnern binnen weniger Tage? Die den Anlass bot für tausende Tweets und dutzende Leitartikel, für spöttische Bemerkungen und differenzierte Diskussionen über die Empörungskultur in den Sozialen Netzwerken und die Qualität unseres Rentensystems? Die Petition und die durch sie angestoßenen Debatten haben nicht gerade die Gesellschaft umgekrempelt, aber ihr doch zumindest den Spiegel vorgehalten.
Entschuldigung. Falscher Einstieg.
Richtig muss es heißen: Erinnern Sie sich noch an die Online-Petition mit dem Titel „Raus mit Markus Lanz aus meinem Rundfunkbeitrag“, die zu Beginn des Jahres die Öffentlichkeit in Atem hielt – mit 230.000 Unterzeichnern binnen weniger Tage? Die den Anlass bot für tausende Tweets und dutzende Leitartikel, für spöttische Bemerkungen und differenzierte Diskussionen über die Empörungskultur in den Sozialen Netzwerken und die Qualität des öffentlich-rechtlichen Fernsehens?
Natürlich erinnern Sie sich daran.
Schließlich hat ganz Deutschland irgendwie mitgeredet. Tatsächlich gab es zeitgleich aber auch eine Online-Petition zur Weiterentwicklung der privaten Altersvorsorge durch die Einführung staatlich geförderter Wertpapier-Depots nach US-amerikanischem Vorbild. Die ging vergangene Woche zu Ende und hat es nach mehreren Monaten immerhin auf knapp 600 Unterstützer gebracht. Ich weiß davon, weil ich kurz nach dem Start der Petition in meinem privaten Finanzblog darüber berichtet habe – genau wie auch eine Reihe anderer Finanzblogger. Wieder andere Blogger haben die Artikel per Tweet weitergetragen oder auf Facebook geteilt.
Ist eine Petition 400-mal relevanter als die andere?
Zur Entstehung eines viralen Wirbelsturms der Kommunikation, zur großen öffentlichen Debatte hat es dennoch nicht gereicht. Dabei dürfte die Interviewtechnik von Markus Lanz nach allen klassischen Maßstäben journalistischer Relevanz nicht 400-mal bedeutender sein als die Sicherung der Altersvorsorge der deutschen Bevölkerung, wie es die Zahl der jeweiligen Unterstützer nahe legt. Immerhin sind von der Altersvorsorge schätzungsweise 80 Millionen Deutsche irgendwann im Verlauf ihres Lebens betroffen – von Markus Lanz aber nur wenige Millionen.
Dieser Text soll nicht in das alte Klagelied darüber ausarten, dass breite Bevölkerungsschichten deutlich mehr Zeit auf die Auswahl ihres nächsten Smartphones verwenden als auf ein paar sinnvolle Gedanken zum Thema Geldanlage. Doch wegdiskutieren lässt es sich nicht: Die Öffentlichkeit redet nicht gern über Geld, und das gilt auch für die digitale Öffentlichkeit – oder zumindest für diejenigen Kanäle, die dank ihrer Reichweite häufig im Zentrum der Berichterstattung stehen und somit die meiste Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wie zum Beispiel Facebook und Twitter. Das zeigen Statistiken immer wieder.
Was heißt das nun für Anbieter von Investmentprodukten, die auf digitalem Weg ihr Publikum erreichen wollen? Ich denke: Es bedeutet vor allem, dass sie bereit sein müssen, stärker auf Qualität zu achten als auf pure Quantität. Dass sie sich konsequent von dem Gedanken verabschieden müssen, die großen Netzwerke seien schon durch die hohe Zahl ihrer Nutzer die erste Wahl auch für die Kommunikation über Finanzthemen. Stattdessen sollten sie sich konsequent auf diejenigen Nischen konzentrieren, in denen sie ihr Publikum erreichen. Ein Publikum, das bereit ist, sich auch mit komplexen Themen auseinandersetzen – notfalls sogar länger als anderthalb Minuten am Stück. Wenn das dann dazu führt, dass die Kommunikation sich auf relevante Blogs oder sogar altmodische Diskussionsforen konzentriert, in denen die Nutzer sich die Köpfe heiß reden, statt auf eine schicke Pinterest-Kampagne, dann ist das eben so.
Und Mutige können natürlich auch völlig andere Möglichkeiten in den Blick nehmen – ein Altersvorsorge-Event mit Markus Lanz als Moderator zum Beispiel.